Landkreis Holzminden (red). Die Erde befindet sich im sechsten großen Artensterben. Ein Ansatz, der diese Entwicklung verlangsamen kann, besteht in der Schaffung von städtischen Bereichen mit nachhaltigen, lebensfreundlichen und zukunftsfähigen Strategien, um Ökosysteme zu erhalten – oder neue zu schaffen. Die Masterthesis „Symbiotic Spaces“ von HAWK-Absolvent Laurin Kilbert liefert Ideen, wie ein symbiotisches Zusammenleben in der Stadt aussehen kann und wie sich menschliche Bedürfnisse in ein Ökosys-tem einbetten lassen. Seinen Abschluss machte Kilbert an der Fakultät Gestaltung der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen am Standort Hildesheim.
Die im 3D-Druckverfahren hergestellten Keramikmodule von Laurin Kilbert scheinen geradezu aus dem Wasser über die Uferkante in die Luft zu wachsen: Wenn es nach ihm geht, sollen sie in Zukunft Insekten, Amphibien, Säugetieren und Vögeln als Behausung dienen. Auf dem Gelände des Amphibienbiotops Hildesheim Ochtersum möchte er seine Idee in die Praxis umsetzen und erforschen. Begleitet von der Biologin Frauke Imbrock von der Unteren Naturschutzbehörde Hildesheim und Betreuerin des Amphibienbiotops plant der HAWK-Masterabsolvent, neue Habitate für die gefährdete Gelbbauchunke und den Kammmolch zu entwickeln und zu erproben. Ein weiterer Partner des Projekts ist das Schulbiologiezentrum Hildesheim, vertreten durch Christoph Petersen. Er ist vernetzt mit dem NABU Hildesheim und arbeitet in der Umweltbildung für Kinder und Erwachsene. In dieser Zusammenarbeit sollen Formate entstehen, die ein professionelles Monitoring und eine Auswertung der Symbiotic Spaces gewährleisten. Das Ziel dabei ist, Kinder und Erwachsene mit angewandtem Artenschutz und Gestaltung in Berührung zu bringen.
Grüne Bewegung in der Stadtteilarchitektur
Ein wesentliches Element des Projekts ist das Material. Den wilden Ton entdeckte Laurin Kilbert in der Tonkuhle am Blauen Kamp: „Ich stand auf einmal drin. Jetzt entdecke ich ihn überall in Hildesheim“, berichtet der Designer. Mit dem lokalen Ton fertigte er erste Keramikmodule in einem speziellen, von ihm selbst entwickelten 3D-Drucker, der durch Unterstützung des Unternehmens Stoneflower3D realisiert werden konnte. Das Projekt selbst erfordert den Bau eines weiteren, großformatigen 3D-Druckers. Bei der Herstellung der Architekturen, des Druckers und weiteren damit verbundenen Arbeitsschritten unterstützen ihn die Berliner Designerin Joana Schmitz sowie das Unternehmen Stone-Flower3D.
Mit seinem Forschungsprojekt arbeitet Laurin Kilbert nah am Puls der Zeit: Denn die grüne Bewegung in der Stadtarchitektur ist noch recht jung. Trotzdem begreifen Metropolen wie Amsterdam, Zürich und Singapur Wildtiere als Teil des Ökosystems, die in die Stadtplanung integriert werden sollen. Kilbert berichtet in diesem Zusammenhängen von seinem Besuch der Architekturbiennale Venedig 2021, die unter dem Thema „How will we live together“ viele Fragen zum Artensterben und dem Klimawandel stellt. Auch Laurin Kilbert wagt schon einen weiteren Blick nach vorne – er möchte anschließend gern erforschen, wie sich symbiotische Lebensräume in öffentlichen oder halböffentlichen Räumen integrieren lassen.
Eine Rückbesinnung auf Naturmaterialien
Dank der Förderung aus dem Programm „Niedersachsen dreht auf“ vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) sowie der Kaiserhausstiftung Heinz Geyer kann Laurin Kilbert das Projekt mit den Partnerinnen und Partnern nun in der Praxis erproben. Dazu Prof. Dr. Henrik Oehlmann, Dekan der Fakultät Gestaltung: „Wir können uns selbst gratulieren für solche tollen Fördernden und Absolvierenden unserer Hochschule.“
Im ersten Schritt eruierte die interne Kommission der Fakultät Gestaltung rund um Prof. Melanie Isverding, Prof. Hartwig Gerbracht und Prof. Dr. Henrik Oehlmann mögliche Projekte, die sie dem Stiftungsrat der Kaiserhausstiftung Heinz Geyer vorstellen könnten. „Symbiotic Spaces“ von Laurin Kilbert erfüllte die Kriterien der Stiftung. „Uns hat der Anschluss an die Geschichte Hildesheims genauso überzeugt wie die Beschäftigung mit dem Artensterben und die Rückbesinnung auf Naturmaterialien“, begründen Geschäftsführer Helmut Marhauer und Stiftungsratsmitglied Matthias Wolpers die Entscheidung der Kaiserhausstiftung Heinz Geyer.